Rodica Mariana Farcău (geb. 1962)

Revolutionärin aus Timișoara (Temeswar). Sie stammt aus einer Familie mit acht Kindern. Ein paar Tage vor dem 17. Dezember 1989 solidarisierte sie sich mit einigen ihrer ungarischen, serbischen und deutschen Freundinnen, um sich der Deportation von Pfarrer László Tőkés zu widersetzen.
Da eine ihrer Schwestern und ein Bruder bereits in Haft saßen, ging sie am 17. Dezember 1989 zur Securitate-Zentrale, um die Freilassung der dort inhaftierten Demonstranten zu fordern. Sie wurde in der Nähe der Decebal-Brücke angeschossen, aus der Richtung einer Gruppe von Angehörigen der Armee und der Securitate. Es wurde ohne Vorwarnung aus nächster Nähe auf sie geschossen. Rodica Mariana Farcău wurde von zwei Kugeln, einer aus einem Maschinengewehr und einer aus einer Pistole, in die Hand und in den Unterleib getroffen. Sie wurde in kritischem Zustand in das Städtische Krankenhaus
in Timișoara gebracht. Am 18. Dezember 1989 brachten Mitarbeiter der Securitate mit Zustimmung der Krankenhausleitung einige der Verwundeten unter dem Vorwand eines Verhörs aus den Krankenstationen mit dem Fahrstuhl in die Leichenhalle im Keller. Dort wurden viele der Verwundeten erschossen. Auch Mariana Farcău wurde in den Keller gebracht. Von Glukose- und Bluttransfusionen getrennt, wurde sie ohnmächtig und fiel sofort ins Koma. Die Wachen hielten sie für tot und ließen sie mit den anderen Leichen zurück. Während darauf gewartet wurde, dass die Leichen in ein Fahrzeug von Comtim, der größten Schweinemast im kommunistischen Rumänien, verladen wurden, bemerkten ein Bahrenträger und ein Pfleger, dass sie sich bewegte. Sie versteckten sie in einem Nebenraum und retteten ihr das Leben. In der Nacht transportierte der Lastwagen die Leichen ins Krematorium nach Bukarest, dem einzigen funktionierenden Krematorium des Landes. Die geheime Operation mit dem Codenamen “Trandafirul/Rose” war von Ceaușescus Frau angeordnet worden. 43 der insgesamt 65 an diesem Tag in Timișoara Getöteten wurden heimlich abtransportiert. 40 Leichen wurden in der Nacht verbrannt, die Asche anschließend in einen Abwasserkanal geworfen. Andere Leichen wurden in einem Massengrab verscharrt. Die Dokumente mit den Todesursachen wurden vernichtet. Den Angehörigen der Getöteten wurde gesagt, sie seien ins Ausland geflohen.

Mariana Farcău, immer noch bewusstlos, wurde in das orthopädische Krankenhaus und anschließend in das Kreiskrankenhaus verlegt, wo sie sich inmitten vieler anderer Verletzter wiederfand. Wieso sie überlebt hatte, erfuhr sie später, als sie die Aussagen ihrer beiden Retter im “Timișoara”-Prozess las, dem Prozess, in dem Offiziere der Miliz, der Securitate und KP-Chefs für schuldig befunden wurden, die Demonstrationen zwischen dem 16. und 20. Dezember 1989 brutal niedergeschlagen zu haben. Der Bahrenträger beging 1991 Selbstmord, der Pfleger verließ das Land spurlos. Mariana Farcău hatte sie nie kennengelernt. Am 9. Januar 1990 wurde sie mit einem Militärhubschrauber nach Bukarest in ein Krankenhaus überführt. Am 12. Januar kam sie für eine weitere Operation nach Frankreich, wo sie sich anschließend niederließ. Ihre Schwester Liliana-Elena und ihr Bruder Vasile,
die im Dezember 1989 von der Securitate verhaftet und brutal zusammengeschlagen worden waren, verließen nach 1990 ebenfalls das Land, um im Ausland zu leben.

Mariana Farcău hat vom rumänischen Staat keinerlei Entschädigung für das im Dezember 1989 erlittene Leid verlangt, obwohl sie “mit einem irreversiblen moralischen, psychologischen, physischen und materiellen Trauma” lebt. Sie war auf verschiedene Weise als Zeugin an den Ermittlungen und Gerichtsverfahren im Zusammenhang mit der Aufarbeitung der Revolution beteiligt,  oft gegen die Linie und die Maßnahmen der rumänischen Behörden. Sie kehrte zu den Gedenkfeiern der Dezemberrevolution ins Land zurück, zum ersten Mal am 19. Dezember 1992. Im Jahr 2008 demonstrierte sie vor dem Europäischen Gerichtshof für  Menschenrechte (EGMR) in Straßburg, um sich für ein beschleunigtes Verfahren im Prozess der Revolution einzusetzen, und wurde zusammen mit anderen Aktivisten vom Präsidenten des EGMR in Audienz empfangen. 2017 reagierte sie öffentlich auf Versuche der Regierung und der Legislative, die Justizgesetze zu ändern. Sie war der Ansicht, dass durch die Änderungen “die Verbrecher der Revolution und die Diebe von ’89 bis heute von ihrer Schuld freigesprochen würden”. Mariana Farcău wurde während der Demonstration für die Unabhängigkeit der Justiz am 10. August 2018 auf dem Victoriei-Platz in Bukarest verletzt und war Klägerin im Prozess gegen die gewalttätigen Einsätze der Gendarmerie. Sie ist Trägerin der Auszeichnung “Kämpfer für den Sieg der Rumänischen Revolution – Verwundeter Kämpfer”.

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