Radu Filipescu (geb. 1955)
Ingenieur. Dissident der kommunistischen Diktatur. Enkel von Victor Groza,
des Bruders von Petru Groza, Premierminister der ersten kommunistischen Regierung Rumäniens. Radu Filipescu schloss 1979 sein Studium an der Fakultät für Elektronik und Telekommunikation in Bukarest ab und arbeitete anschließend bei den Unternehmen Automatica und IEM in der Hauptstadt. Im Januar 1983 erstellte er zusammen mit einem guten Freund, Radu Eugen Negru, 10.000 Manifeste gegen das Ceaușescu-Regime und verteilte sie in Wohnblocks in mehreren Bukarester Stadtteilen. Im April und Mai 1983 verteilten sie fast 10.000 weitere Manifeste mit dem Inhalt:
“MANIFEST
MENSCHEN DIE DAS
CEAUȘESCU-REGIME
BESEITIGEN WOLLEN
GEHT FRIEDLICH AUF DIE STRASSE
SONNTAG 30 JANUAR
ZWISCHEN 17 UND 19 UHR
AB 30 JANUAR,
JEDEN ZWEITEN SONNTAG,
ÄUSSERT AUF DIE GLEICHE WEISE
EURE ENTSCHLOSSENHEIT
DIE PLAGE CEAUȘESCU
VON DER FÜHRUNG DES LANDES ABZULÖSEN.
WIR MÜSSEN ETWAS TUN
DIE STRASSE.”
Am 7. Mai 1983 wurde sein Haus durchsucht, er wurde festgenommen und verhört. Am 12. September wurde er von einem Militärgericht wegen “Propaganda gegen die sozialistische Ordnung” zu einer Haftstrafe von zehn Jahren verurteilt. Er kam zunächst ins Gefängnis Aiud und wurde dann nach Rahova und Jilava verlegt. Während dieser Zeit starteten seine Familie und Freunde eine Kampagne, um westliche Medien über seinen Fall zu informieren. Amnesty International (AI) forderte seine Freilassung und erstellte eine Liste der willkürlichen Strafen, denen er ausgesetzt war: Isolationshaft, Arbeitsverbot, regelmäßige Kürzungen der Essensrationen, Einschränkung der Besuche und Verweigerung medizinscher Versorgung. Im Dezember 1984 wurde er von AI zum “Gefangenen des Monats” erklärt.
Informationen über ihn erreichten Radio Free Europe und wurden dort ausgestrahlt, er wurde von Organisationen in Frankreich, Deutschland, der Schweiz und Politikern aus Westeuropa und den USA unterstützt. Am 18. April 1986 wurde er aus dem Gefängnis entlassen, nach einer Reduzierung der Strafe auf 5 Jahre und einer Amnestie. Trotz Beobachtung durch die Securitate nahm er Kontakt auf mit ehemaligen Mithäftlingen und den Familien der noch Inhaftierten. Zusammen mit seinen Eltern setzte er sich mit den gleichen Methoden für die Freilassung der anderen politischen Gefangenen ein.
Im November 1987 schrieb Radu Filipescu einen Brief an den Generalstaatsanwalt von Bukarest und teilte ihm mit, dass sein Haus durchsucht und er von Agenten verfolgt werde.
Er schrieb auch, dass er von der Initiative eines Referendums gegen Ceaușescu erfahren habe, und fragte, ob seine Teilnahme an dem Referendum gegen die Gesetze des Staates verstoße. Den gleichen Brief hatte er an Radio Free Europe geschickt, er wurde am 1. November ausgestrahlt. Am 12. Dezember 1987 wurde Radu Filipescu festgenommen, verhört und im Securitate-Hauptquartier in der Calea Rahovei verprügelt. Er wurde nach 10 Tagen freigelassen, nachdem westliche Organisationen und Medien schnell und heftig reagiert hatten.
Am Morgen des 22. Dezember 1989, nachdem er mit seinem Bruder und seinen Eltern an den Demonstrationen auf dem Magheru-Boulevard teilgenommen hatte, wurde er
auf der Straße verhaftet. Wenige Stunden später, kurz nach Ceaușescus Flucht per Hubschrauber, wurde er wieder freigelassen.
Radu Filipescu ist Gründungsmitglied der Gruppe für Sozialen Dialog, der Vereinigung für die Verteidigung der Menschenrechte in Rumänien – Helsinki-Komitee
(APADOR-CH), Gründer und Präsident der Vereinigung der Revolutionäre ohne Privilegien.
Er nahm aktiv an den Demonstrationen der antikommunistischen Opposition auf dem Universitätsplatz 1990 teil. 2018 ernannte ihn der rumänische Staatspräsident zum Mitglied des Nationalen Kollegiums des Instituts für die Rumänische Revolution vom Dezember 1989 (IRRD). Er konnte sein Amt im IRRD nicht antreten, weil eine Gruppe von Mitgliedern des Nationalen Kollegiums des IRRD die Entscheidung mit der Begründung anfocht, die in das Kollegium berufenen Mitglieder müssten repräsentative und offiziell anerkannte Revolutionäre sein. Diese Eigenschaft müsse durch Zertifikate bescheinigt werden, die gemäß dem Gesetz ausgestellt worden seien. Im Dezember 2019 wurde das IRRD durch die Dringlichkeitsverordnung der Regierung 91/2019 abgeschafft, ein Beschluss, der 2020 vom Parlament aufgehoben wurde.
Ein von Radu Filipescu 1983 gedrucktes Manifest und das Gerät, mit der er es reproduzierte, befinden sich im Berliner Mauer-Museum, das dem antikommunistischen Widerstand gewidmet ist und sich in der Nähe des ehemaligen Grenzübergangs zwischen West-und Ostberlin (Checkpoint Charlie) befindet.
Hinweis: Das Porträt gibt den Winkel und die Position von Radu Filipescus Foto wieder,
das von der Securitate bei seiner Verhaftung im Mai 1986 aufgenommen wurde.