Marta Vasiliu (geb. 1929 – gest. 2023)

Geboren als Marta Frunză in Constanța, Rumänien. GULAG-Überlebende in der UdSSR. Ihr Vater starb, als sie sechs Jahre alt war. Fünf Jahre später heiratete ihre Mutter in Constanța wieder einen rumänischen Mann. Dieser war in erster Ehe mit einer Frau aus Deutschland verheiratet, mit der er zwei weitere Söhne und eine Tochter hatte, die in Deutschland lebten. Im Sommer 1941 wurden die Halbbrüder von Marta Vasiliu in Hitlers Armee einberufen und auf dem Weg zur Ostfront für einige Tage in Constanța einquartiert, wo sie ihren Vater besuchten. Um den Moment festzuhalten, ließen sie alle ein Gruppen-Foto von sich machen, die Jungen in deutschen Uniformen und Marta Vasiliu, 11 Jahre alt, in ihrer Mitte, bekleidet mit einem weißen Spitzenkleid. Im folgenden Jahr starben beide Brüder in der Schlacht von Stalingrad, ihr Vater starb, als er das Telegramm mit der Todesnachricht las. Im Frühjahr 1944 ließ die Mutter ihre Tochter samt Familienfotoalbum bei der Großmutter mütterlicherseits in Bălți, in Bessarabien, und reiste nach Constanța, um Verwaltungsangelegenheiten zu regeln. Es war das letzte Mal, dass Marta Vasiliu ihre Mutter sah. Ein paar Tage später wurde das Album von sowjetischen Soldaten gefunden, nachdem die Rote Armee die Kontrolle über das Gebiet übernommen hatte. Das Foto ihrer Halbbrüder im Album war der Grund für die Verhaftung von Marta Vasiliu. Von diesem Tag an sah sie ihre Großmutter nie wieder. Sie wurde mehrere Monate lang gefoltert und verhört. Das Foto stand auch im Mittelpunkt des Prozesses, der kurz nach ihrem 16. Geburtstag stattfand, dem Alter, in dem sie nach dem Recht der UdSSR volljährig wurde. Marta Vasiliu wurde in Chișinău vom Obersten Sowjet in russischer Sprache verurteilt, mit einem vom Gericht bestellten Anwalt und Übersetzer. Sie wurde zu 10 Jahren GULAG in Sibirien verurteilt. Sie überlebte den unmenschlichen Transport, die Haftbedingungen, die weit unter den humanitären Normen lagen, und leistete körperliche Zwangsarbeit, manchmal bei Temperaturen von minus 40 Grad Celsius. Sie sah, wie Tausende von Menschen um sie herum starben, und trug die Leichen von Gefangenen, die bei der Arbeit starben, auf ihrem Rücken. Sie wurde 1955 ohne rumänische Papiere entlassen und zur Arbeit in eine Kolchose in der Nähe von Odessa unter sowjetischer Bewachung geschickt. Von dort aus begab sie sich “unbefugt” zur rumänischen Botschaft in Moskau, wo sie einen Antrag auf Zurückführung in die Heimat stellte. Sie erhielt ihr Visum und rumänische Dokumente innerhalb weniger Monate, die russische Erlaubnis jedoch erst, nachdem sie eine diktierte Erklärung verfasst hatte, in der sie sich verpflichtete, das Gefängnis und die Lager, in denen sie gewesen war, nicht zu erwähnen. Sie war 27 Jahre alt. In einem Brief teilte sie ihrer Mutter erfreut mit, dass sie nach Hause kommen würde. Als die Mutter den Brief las, erlittt sie einen Herzanfall und verstarb. Zu Hause angekommen, fand Marta Vasiliu nur noch das frische Grab ihrer Mutter vor. 

Sie besuchte eine weiterführende Wirtschaftsschule und heiratete mit 46 Jahren einen Arzt. Acht Monate vor der rumänischen Revolution wurde sie zu Hause von zwei Vertretern der Securitate verhört, die sie verdächtigten, Mitglied der Gruppe des Dissidenten Radu Filipescu zu sein, den sie nicht einmal kannte. Aus Angst vor einer erneuten Verhaftung lebte sie bis zur Revolution im Dezember 1989 mit einem gepackten Koffer in der Wohnung und bekam bei jedem Klingeln an ihrer Tür einen emotionalen Schock. Ihr Mann erfuhr ihre Geschichte
zufällig, einige Jahre nach der Revolution, als sie ihre Akte als politisch deportierte Person für die Vereinigung ehemaliger politischer Häftlinge in Rumänien, deren Mitglied sie ist, angelegt hatte.

Marta Vasiliu konnte nie Kinder bekommen.

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