Liviu Tofan (geb. 1948)
Rumänischer Journalist und Schriftsteller. Er wanderte aus und ließ sich 1973 in Deutschland nieder. 1976 wurde er Nachrichtenredakteur in der rumänischen Redaktion von Radio Free Europe in München. Der vom US-Kongress finanziell unterstützte Radiosender war in den kommunistischen Ländern Osteuropas und der ehemaligen Sowjetunion äußerst beliebt und einflussreich. Für die Rumänen war Radio Free Europe die wichtigste Quelle für unzensierte Informationen. Der Sender strahlte seine Programme auf Kurzwelle aus und begann seine tägliche Sendung mit der Ankündigung “Hier ist Radio Free Europe”, die täglich zur Hintergrundmusik von George Enescus “Rumänischer Rhapsodie” zu hören war. Während des Kommunismus hatte der Sender Kultstatus, man schätzte seine Hörerschaft auf etwa 80 % der rumänischen Bevölkerung. Berichten zufolge gehörten Minister, Parteiaktivisten und Securitate-Mitarbeiter zu den Hörern. Den Sender zu hören galt als illegale Straftat, die mit Gefängnis bestraft wurde, ebenso wie die Korrespondenz mit der Redaktion. 1980 wurde Liviu Tofan Leiter der Nachrichtenredaktion, eine Position, die er während der letzten 10 Jahre des kommunistischen Regimes innehatte. Am 21. Februar 1981 erlebte er den Bombenanschlag auf den Hauptsitz des Senders, den die rumänischen Sicherheitsbehörden der Gruppe des internationalen Terroristen Carlos, genannt “Der Schakal”, in Auftrag gegeben hatten. Das Ziel der Terroristen war es, die rumänische Redaktion des Senders zu zerstören. Der Anschlag verfehlte knapp sein Ziel, doch mehrere Menschen wurden schwer verletzt, ein Mann erblindete und andere wurden entstellt. Die Explosion ereignete sich während einer Sendung, in der Mihai Pacepa, ein ehemaliger Generalleutnant des rumänischen Innenministeriums und persönlicher Sicherheitsberater von Nicolae Ceaușescu, der sich in die USA abgesetzt hatte, in einer Tonaufnahme an seine beruflichen Erfahrungen mit dem rumänischen Diktator erinnerte.
Im Dezember 1989 gehörte Liviu Tofan zu dem Radioteam, das Informationen über die Demonstrationen in Timișoara und später in Bukarest ausstrahlte und die Bevölkerung ermutigte, sich am Sturz der Diktatur zu beteiligen. Im Jahr 1990 wurde er stellvertretender Direktor der rumänischen Abteilung. Zurück in Rumänien, baute er in Bukarest ein Redaktionsbüro von Radio Free Europe auf, das parallel zu dem in München arbeitete. Aus technischen Gründen konnte in Rumänien aber nur eine Sendung, “Actualitatea românească/Rumänische Aktualität”, über UKW ausgestrahlt werden, und das auch nur von einem lokalen Radiosender. 1994 trat Liviu Tofan von Radio Free Europe zurück und wandte sich dem Journalismus in Rumänien zu. Radio Free Europe unterhielt weiterhin eine Redaktion in Bukarest und sendete in rumänischer Sprache bis zum 1. August 2008, als der Sender aufgrund der zunehmenden Konkurrenz nach 58 Jahren den Betrieb einstellte. Am Tag zuvor hatte der rumänische Staatspräsident die Redaktion des Senders mit dem Orden für kulturelle Verdienste geehrt.
Da in den ehemals kommunistischen Ländern Mittel- und Osteuropas in den letzten Jahren wieder Probleme mit dem demokratischen System aufgetreten waren, und um Fake News zu bekämpfen, beschloss die US-Regierung, die Sendungen für Rumänien 2018 wieder einzuführen.
Liviu Tofan ist seit 2008 Direktor des Rumänischen Instituts für Neuere Geschichte. Eines der Projekte des Instituts war die Zusammenstellung der Listen der Securitate-Kader von 1949 bis 1989. Im Jahr 2013 schrieb Liviu Tofan ein Buch über das Attentat von 1981, “Șacalul Securității. Teroristul Carlos în solda spionajului românesc/Der Schakal der Securitate. Der Terrorist Carlos im Dienste der rumänischen Spionage”, das die Komplizenschaft zwischen den Terroristen und Ceaușescus Securitate aufdeckt. Es folgten weitere Titel. Im Jahr 2024 veröffentlichte er zusammen mit dem Historiker Stejărel Olaru das Buch “A fost ca-n filme. Cea mai mare afacere a Securității/ Es war wie im Film. Das größte Geschäft des Securitate”, ein Buch, das die Dimensionen eines dunklen Geschäfts mit dem Vertrieb illegaler Kopien von Filmen auf Videokassetten aufdeckte. Es war ein Geschäft im Wert von mehreren zehn Millionen Dollar, das von der Securitate kontrolliert und während des kommunistischen Regimes auf rumänischem Gebiet durch einen rumänischen Schmuggler betrieben wurde.
Parallel dazu hat er Dokumentarfilme über relevante Themen aus der Zeit des kommunistischen Regimes in Rumänien gedreht. Er schrieb das Drehbuch für den Dokumentarfilm “Afacerea Tănase. Leapșa pe murite”, der 2013 veröffentlicht wurde. Der Film rekonstruiert eine wahre Geschichte aus dem Jahr 1982, in der Ceaușescu einen Securitate-Agenten beauftragte, zwei regimekritische rumänische Schriftsteller, beide französische Staatsbürger, in Paris zu ermorden. 2017, genau 30 Jahre nach dem Arbeiteraufstand in Brașov, veröffentlichte er den Dokumentarfilm “Brașov 1987. Doi ani prea devreme/Zwei Jahre zu früh”, einen Film über die Demonstrationen gegen das kommunistische Regime am 15. November 1987, die den bevorstehenden Zusammenbruch des Kommunismus in Rumänien einläuteten. Im Jahr 2018 beteiligte er sich als Produzent an der Erstellung des Films “Jurnalul familiei -escu / Being Romanian: A Family Journal”. Ebenfalls 2024 veröffentlichte er als Co-Regisseur und Produzent den Film “Cazul inginerului Ursu”, einen Film über den 30-jährigen Kampf um Gerechtigkeit und Wahrheit von Andrei Ursu, Sohn des Dissidenten Gheorghe Ursu, dem einzigen rumänischen Bauingenieur, der sich öffentlich mit Nicolae Ceaușescu anlegte. In einem Brief, der im Programm von Radio Free Europe verlesen wurde, kritisierte der Ingenieur den Befehl des Diktators, die Konsolidierung der Bauarbeiten in Bukarest nach dem verheerenden Erdbeben von 1977 vorzeitig zu beenden. Für diesen Akt des Widerspruchs wurde Ursu verhaftet, gefoltert und 1985 in der Haft ermordet.