Ion Iliescu (geb. 1930)

Politiker, Präsident von Rumänien. Er stand mehrmals an der Spitze des rumänischen Staates, zwischen dem 22. Dezember 1989 und dem 20. Mai 1990 als Präsident des Rats der Front der Nationalen Rettung (CFSN), dann von 1990 – 1992,  1992 – 1996 und 2000 – 2004 als Staatspräsident. Er war einer der wichtigsten kommunistischen Führer vor der Wende 1989 und nach dem Sturz des Diktators Nicolae Ceaușescu Gründungsmitglied der Front der Nationalen Rettung (FSN). 1990 wurde FSN trotz anderslautender Beteuerungen zur Partei, die später in die Demokratische Front der Nationalen Rettung (FDSN), dann in die Partei der Sozialen Demokratie Rumäniens (PDSR) und die Sozial-Demoratische Partei (PSD) umgewandelt wurde. Für diese Parteien wurde er zwischen 1996 – 2000 und 2004 – 2008 in den Senat gewählt. Er ist Ehrenvorsitzender der PSD. Sein Vater, ein ehemaliger kommunistischer Aktivist, der von 1931 bis 1935 in Moskau ausgebildet wurde, saß bis zu seinem Tod 1939 zeitweise im Gefängnis. Ion Iliescus Stiefmutter, eine ehemalige Angehörige der sowjetischen Kominternistenbrigaden im Spanischen Bürgerkrieg, arbeitete nach 1944 für den ersten stellvertretenden Ministerpräsidenten der kommunistischen Regierung, später in den rumänischen Wirtschaftsagenturen in Sofia und Moskau und ging als Direktorin der Generalzolldirektion in Rente. Ion Iliescu trat 1944 dem Kommunistischen Jugendverband (UTC) bei und stieg in der Parteihierarchie stetig auf. Er absolvierte das Lyzeum in Bukarest und studierte am Polytechnischen Institut Bukarest. 1947 war er Freiwilliger auf der nationalen Jugendbaustelle bei der Eisenbahn. Im Jahr 1949 wurde er Mitglied des Zentralkomitees des UTC. Zwischen 1950 und 1954 studierte er am
Energieinstitut der Moskauer Universität, während dieser Zeit war er Sekretär des Zentralkomitees des UTC. 

Ion Iliescu wurde 1953 Mitglied der Rumänischen Kommunistischen Partei (PCR) un d bekleidete weiterhin führende Positionen im Jugendverband UTC. Im Jahr 1957 war er Präsident des Rats des Verbands der Studentenvereinigungen der Rumänischen Volksrepublik, von 1960 bis 1962 war er stellvertretender Leiter der Abteilung Propaganda des ZK der RKP und von 1962 bis 1965 Leiter der Abteilung Bildung und Gesundheit in der Direktion für Propaganda und Kultur des ZK der RKP. Er war Abgeordneter der Großen Nationalversammlung von 1957 bis 1985. Loyal gegenüber Nicolae Ceaușescu, erlebte er nach dessen Ernennung zum Parteichef 1965 einen bemerkenswerten Aufstieg. Er wurde Mitglied des ZK der RKP (1969-1984) und bekleidete mehrere hochrangige politische Ämter. Zwischen 1971 und 1974 wurde er zum Vizepräsidenten des Bezirksrats von Timiș und später zum Chef des Bezirks Iași ernannt. Seit 1979 war er auch Mitglied des Staatsrats. Nach 1984 gehörte Ion Iliescu nicht mehr dem ZK der RKP an und war auch nicht mehr an einer parteipolitischen Führung einer Organisation beteiligt. Damals bezeichnete ihn Radio Free Europe als Nachfolger des Diktators. Er wurde zum Direktor des Technischen Verlags ernannt, eine Position, die er bis zur Revolution von 1989 innehatte. 

Ion Iliescu sagt, er habe sein RKP-Parteibuch am Abend des 21. Dezember 1989 vernichtet. Am Morgen des 22. Dezember ging er in sein Büro in der Casa Scânteii, von wo aus er Gruppen von Menschen von den Industrieplattformen in Richtung Stadtzentrum gehen sah. Nach 12.51 Uhr verfolgte er in einem Büro des Kulturministeriums im selben Gebäude die Fernsehübertragung der Revolutionäre und fuhr dann in Begleitung mehrerer Autos von Bekannten zu seinem Haus. Er traf 
gegen 14.30 Uhr im rumänischen staatlichen Fernsehen TVR ein, wo er in einer Live-Sendung neben Revolutionären, antikommunistischen Dissidenten und hochrangigen Mitgliedern der Armee, der Miliz und der Securitate auftrat. Er wurde von einem Fernsehmoderator vorgestellt: “Er ist der Sohn eines Revolutionärs, eines Patrioten. Er selbst ist ein Patriot! “. Ion Iliescu ergriff das Wort und urteilte: “Ceaușescu ist schuldig!”. Er kündigte die Einsetzung eines “Komitees der nationalen Rettung” an und zeigte mit seiner Rede und seinem Verhalten, dass er die Staatsmacht übernommen hatte. Die neue provisorische Macht wurde auf einer Sitzung im Ministerium für Nationale Verteidigung gegen 16.00 Uhr anerkannt. Gegen 17.00 Uhr wandte sich Ion Iliescu vom zentralen Balkon des ZK der RKP an die Menge auf dem Platz des Palasts, wo er sich mit den Worten “Liebe Genossen… ” an die Menge wandte, woraufhin er ausgebuht wurde. Dann fuhr er mit “Liebe Landsleute, der Ceaușescu-Clan ist gestürzt… ” fort und konnte die Bildung der neuen politischen Struktur verkünden, die die Führung des Landes übernommen hatte. Nach diesem Moment ertönten Schüsse auf dem Platz. Der zentrale Balkon des ZK der RKP, der voll besetzt und hell erleuchtet war, wurde nicht getroffen. Die Gruppe von Ion Iliescu richtete sich in einem Büro des Gebäudes ein, ihre Sitzung wurde mit der Videokamera des Journalisten Paul Cozighian gefilmt. Das Diktatorenehepaar Nicolae und Elena Ceaușescu befand sich inzwischen in Haft in einer Militäreinheit in Târgoviște. Am 22. Dezember, gegen 23.25 Uhr, verlas Ion Iliescu Live im TVR das erste offizielle Kommuniqué des Rats der Front der Nationalen Rettung (CFSN), eine Proklamation, die als politisches Programm der Revolution gilt. Unter Punkt 9 wurde angekündigt, dass Rumänien seine internationalen Verpflichtungen einhalten werde, “vor allem die des Warschauer Vertrags”. Als Ion Iliescu am Ende die Liste der “provisorischen” Mitglieder des CFSN vorstellet, sagte er: “…und, mit Ihrer Erlaubnis, der letzte auf der Liste, Ion Iliescu”. Laut Zeugenaussagen führten Ion Iliescu und Petre Roman (der spätere Ministerpräsident Rumäniens) am Morgen des 23. Dezember vom TVR-Gebäude aus ein Telefongespräch mit der Botschaft der UdSSR und versicherten, dass sowjetische Truppen eingreifen könnten, um die Ordnung im Land wiederherzustellen. Am 24. Dezember schrieb Ion Iliescu in einer Toilette des Ministeriums für Nationale Verteidigung – er betrachtete sich als Präsident des CFSN – , eigenhändig das Dekret zur Einsetzung eines Außerordentlichen Militärtribunals, das Nicolae und Elena Ceaușescu zum Tode durch Erschießen verurteilen sollte. Er erklärte, dass “die Dringlichkeit durch den Wunsch aller ehrlichen Bürger Rumäniens in diesem Fall gegeben ist”. Das Dokument trug keine offizielle Registriernummer. Der Prozess, der am 25. Dezember im Auftrag des CFSN organisiert wurde, war nur wenigen Mitgliedern des Rates bekannt, die Ion Iliescu nahe standen. Das Urteil ließ eine Berufung innerhalb von 10 Tagen zu, legte aber auch fest, dass “das Urteil sofort vollstreckt werden wird”. Die Hinrichtung erfolgte fünf Minuten nach der Urteilsverlesung in einer Militäreinheit in Târgoviște unter dem Kommando von General Victor Atanasie-Stănculescu, der am 22. Dezember von Nicolae Ceaușescu zum Verteigungsminister ernannt worden war und am selben Tag die Flucht des Diktatoren-Ehepaars vom Dach des ZK der RKP organsiert hatte. Im Februar 1990 wurde der General erneut zum Verteidigungsminister ernannt, diesmal von den neuen Machthabern.

Der Film des Prozesses gegen das Ehepaar Ceaușescu wurde von TVR erst spät in der Nacht in einer drastisch geschnittenen und technisch manipulierten Version gezeigt, 
unter dem Vorwand, die Identität der Prozessbeteiligten zu schützen. Im Jahr 2017 stellte die Staatsanwaltschaft in der Anklageschrift im Prozess der Revolution fest, dass “die Entscheidung ohne ordentliches Verfahren und die Hinrichtung des Präsidentenehepaars Ceaușescu Nicolae und Elena in voller Kenntnis der Sachlage durch das Entscheidungsgremium des CFSN” getroffen wurde. 

Eine Reihe von Gesetzen, darunter auch jenes, das den Schwangerschaftsabruch unter Strafe stellte, wurden abgeschafft. Das Ministerium für Staatssicherheit wurde per Dekret dem Verteidungsministerium unterstellt. Am 3. Januar 1990 verkündeten Ion Iliescu und die Führer des CFSN, dass die FSN keine politische Partei sei und auch in Zukunft nicht sein werde. Am 5. Januar 1990 wurden politische Straftaten amnestiert. Am 12. Januar 1990 sah sich Ion Iliescu einer offenen Opposition gegenüber, 
als er dem Ruf der Demonstranten auf dem Victoriei-Platz folgte und vor die FSN-Zentrale ging, um in einer Live-Übertragung des TVR zu ihnen zu sprechen. Es sollte sein letzter öffentlicher Auftritt in einer unkontrollierten Menge sein. Er wurde mit Sprechchören wie “Hör auf, mit der Hand zu winken!” verspottet, eine Geste, die an 
Ceaușescus Reden erinnerte. Auch wurde er gefragt, was er “in den letzten fünf Jahren” getan habe, und zum Rücktritt aufgefordert.

Am 23. Januar beschloss der CFSN, sich in eine politische Partei umzuwandeln, und am 6. Februar 1990 wurde die Partei beim Gericht registriert, mit Ion Iliescu als Gründungsmitglied und Präsident. Teilnehmern an den Demonstrationen der demokratischen Opposition gegen die FSN am 28. Januar und 18. Februar wurde mit dem Eintreffen von Bergarbeitern in Bukarest gedroht, diese kamen sogar in die Hauptstadt.

Nach den blutigen Ereignissen vom Februar 1990 in Târgu Mureș schlug Ion Iliescu die Schaffung des rumänischen Geheimdienstes vor. Nach der Einrichtung des Dienstes wurden Personen aus der ehemaligen kommunistischen Securitate wieder in die gleichen Strukturen eingesetzt. Am Karfreitag, dem 5. April 1990, unterzeichnete Ion Iliescu in Moskau zusammen mit Michail Gorbatschow den bilateralen Vertrag mit der UdSSR. Der Vertrag hätte den Beitritt Rumäniens zur Nordatlantischen Allianz (NATO) für 15 Jahre blockiert, wurde aber von Premierminister Petre Roman von der Ratifizierung durch das Parlament zurückgehalten. Am 20. Mai 1990, einem Tag, der mit dem ” Sonntag des Blinden” im christlich-orthodoxen Kalender zusammenfiel, fanden die ersten freien Wahlen nach der Wende statt. Bei einer Wahlbeteiligung von 86,19 % aller Wähler wurde Ion Iliescu mit 85,7 % der Stimmen zum Präsidenten Rumäniens gewählt, die FSN erhielt mit über 60 % die Mehrheit im Parlament. Im Juni 1990 gab Ion Iliescu nach Aussage des damals amtierenden Innenministers, der auch für die Unterdrückung der Demonstranten während der Revolution verantwortlich war, einen mündlichen Befehl zur Ausarbeitung des “Plans zur Räumung des Universitätsplatzes”. Der Plan wurde von Premierminister Petre Roman genehmigt und am 13. Juni ausgeführt. Am 14. Juni 1990 wurden Tausende von Bergarbeitern, die in Bukarest eingetroffen waren, von Ion Iliescu in einer Rede von einem Balkon des Victoria-Palastes, dem Sitz der Regierung, aufgefordert, direkt zum Universitätsplatz zu marschieren. Es folgten gewalttätige, mörderische und verheerende Aktionen der Kohlekumpel in ganz Bukarest. Am nächsten Tag dankte Ion Iliescu den Bergarbeitern für die “Rettung der Demokratie”. 

Gemäß der rumänischen Verfassung von 1991 wurde Ion Iliescu von 1992 bis 1996 und von 2000 bis 2004 erneut zum Präsidenten gewählt. Während seiner letzten Amtszeit trat Rumänien der NATO bei und schloss die Verhandlungen über den Beitritt zur Europäischen Union ab. Am letzten Tag seiner Amtszeit im Jahr 2004 begnadigte Ion Iliescu den wegen Umsturzes der Staatsgewalt zu 18 Jahren Haft verurteilten Bergarbeiterführer Miron Cozma, widerrief die Begnadigung aber noch am selben Tag auf Druck der Öffentlichkeit. 2017 wurde Ion Iliescu wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit im Zusammenhang mit der “Mineriade” vom Juni 1990 angeklagt. 

Seit 2004 ist Ion Iliescu Präsident des Rumänischen Instituts der Dezemberrevolution. Am 21. Dezember 2017 wurde er wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit im Prozess der Revolution von 1989 angeklagt. Die Staatsanwälte hielten in der Anklageschrift fest, dass er “als Staats- und Regierungschef, Präsident des CFSN und des Obersten Militärrats ab dem 22. Dezember 1989 um 19.30 Uhr die Öffentlichkeit durch seine Fernsehauftritte und die Pressemitteilungen direkt falsch informiert hat (und damit entscheidend zu der weit verbreiteten Psychose des Terrorismus beigetragen hat, die sich in zahlreichen brudermörderischen Schießereien, chaotischen Schüssen mit militärischer Munition usw. äußerte), an der Desinformation und Diversion zur Hinrichtung des Ehepaars Ceaușescu (25. Dezember 1989) mitgewirkt und (zwischen dem 22. und 31. Dezember 1989) die politische Verantwortung für die Irreführung übernommen hat, die von leitenden Mitarbeitern des Verteidigungsminsiteriums koordiniert und durchgeführt wurde (deren Chef er war), ohne einzugreifen, um sie zu stoppen”. Damit habe er  “zum Tod von 853 Personen, zur Verwundung von 2.157 Personen, zur Freiheitsberaubung unter Verletzung der allgemeinen Regeln des Völkerrechts von 489 Personen und zur Verursachung psychischen Leids bei anderen Personen” beigetragen. Beide Verfahren wegen
Verbrechen gegen die Menschlichkeit, in denen Ion Iliescu angeklagt ist, befinden sich in unterschiedlichen Stadien. Ein Urteil wurde noch nicht gefällt. Am 3. März 2024 wurde Ion Iliescu 94 Jahre alt.

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