Ion Caramitru (geb. 1942 – gest. 2021)
Rumänischer Theater- und Filmschauspieler, Regisseur, Präsident von UNITER seit 1990, Kulturminister (1996 – 2000) und ab 2005 Direktor des Nationaltheaters in Bukarest.
Sein Vater verbrachte fast neun Jahre in kommunistischen Gefängnissen und wurde dreimal unter dem Vorwurf verhaftet, ein “Kleinbürger” zu sein.
Ion Horia Leonida Caramitru hat sich zweimal den Versuchen der Securitate widersetzt, ihn als Informant anzuwerben, einmal als Student und einmal als Schauspieler in einem Bukarester Theater. Am 21. Dezember 1989 demonstrierte Ion Caramitru in der Bukarester “Piața Romană” vor einer Front aus Soldaten und Panzerfahrzeugen. Als er auf Umwegen erfuhr, dass er verhaftet werden sollte, suchte er vorübergehend Zuflucht im Haus eines Freundes, musste es aber auf dessen Wunsch hin verlassen. Am Morgen des 22. Dezember kehrte er auf den Platz zurück und fuhr anschließend zum Sitz des staatlichen Fernsehens TVR. Um 12.51 Uhr wurde er neben Mircea Dinescu und anderen Revolutionären zu einer der zentralen Figuren der Revolution. Er war die erste Person, die in der ersten Live-Sendung des freien TVR das Wort ergriff und den Sturz des Ceaușescu-Regimes verkündete. Gegen 18.30 Uhr gelangte er vor das Zentralkomitee der KP, bestieg einen Ü-Wagen des TVR und versuchte, die wilde Schießerei des Militärs gegen angebliche “Terroristen” auf benachbarten Gebäuden zu stoppen. Er forderte – ebenfalls erfolglos – die Einziehung der Waffen von der Zivilbevölkerung und den Schutz des kulturellen Erbes auf dem Platz des Palastes.
Dieser live vom staatlichen Fernsehen TVR übertragene Moment war der Beginn von Tagen der Ungewissheit, voll von “Brudermordfeuer” und “terroristischen Ablenkungsmanövern”, wie es die Staatsanwaltschaft im Prozess der Revolution formuliert hat. Einige der CFSN-Anführer (des Rats der Front der Nationalen Rettung), so die Statswanwaltschaft, hätten diese Aktionen initiiert und durch öffentliche Kommuniqués unterstützt, um ihre Macht zu sichern.
Bei der Verlesung der ersten Proklamation des CFSN am Abend desselben Tages wurde Ion Caramitru als Mitglied in die provisorische Liste des Rats aufgenommen. Später wurde er volles Mitglied und zum Kulturbeauftragten des CFSN ernannt. Ion Caramitru war auch stellvertretender Vorsitzender des Provisorischen Rats der Nationalen Einheit (CPUN).
In den Tagen vor der Ankündigung, dass sich die Front der Nationalen Rettung (FSN) in eine politische Partei umwandeln wollte, wurde er laut eigenem Bekunden von Ion Iliescu, Petre Roman und Silviu Brucan als FSN-Kandidat für das Amt des Präsidenten Rumäniens vorgeschlagen. Er lehnte ab. Wenige Wochen vor Beginn der gewalttätigen Auseinandersetzungen der “Mineriade” vom Juni 1990 (als Tausende Bergarbeiter die Demonstranten der demokratische Opposition brutal niederknüppelten) versuchte er zusammen mit Mircea Dinescu, Dan Hăulică und Andrei Pleșu, ein Treffen der Demonstranten auf dem Universitätsplatz mit Ion Iliescu, dem CPUN-Präsidenten, zu vermitteln. Eine der Bedingungen der Demonstranten war die LIVE-Übertragung des Gesprächs. Ion Iliescu weigerte sich jedoch aus Angst, erschossen zu werden.
Nach den Wahlen von 1990 trat Ion Caramitru aus Protest aus der FSN aus, weil
die Organisation entgegen den ursprünglichen Versprechen eine politische Partei geworden war. Er begründete seine Entscheidung damit, dass Ion Iliescu seine Führungsposition und das Vertrauenskapital, das er zur Zeit der Revolution erworben hatte, benutzt hat, um die Macht für sich und seine Gruppe zu monopolisieren. Im November 1990 wurde Ion Caramitru zusammen mit anderen Persönlichkeiten Gründungsmitglied der Bürgerallianz, einer Nichtregierungsorganisation, die zur Entwicklung der Zivilgesellschaft in Rumänien unter dem Motto “Wir können nur gemeinsam erfolgreich sein” beitragen sollte. Er war Berater im Team von Emil Constantinescu im Präsidentschaftswahlkampf 1996 und verfasste für ihn eine Frage, die einen großen Einfluss auf die Wahlentscheidungen hatte: “Herr Iliescu, glauben Sie an Gott?”
Im Jahr 2003 gründete er zusammen mit anderen Revolutionären und ehemaligen Dissidenten die Vereinigung “Revolutionäre ohne Privilegien”, da er der Meinung war, dass die Verleihung von Zeugnissen und Privilegien für Revolutionäre zu einem Instrument der Korruption geworden sei. Im Jahr 2011 sagte er, dass Ion Iliescu die Glaubwürdigkeit der Revolution zerstört habe und dass er sich weigere, ihm die Hand zu geben, weil dieser “Blut an seinen Händen hat”. Im Jahr 2018 sagte er: “Ich habe an einer 100-prozentigen antikommunistischen Revolution teilgenommen – und Sie an einem Austausch des kommunistischen Führers mit anderen kommunistischen Führern. Wir wurden alle getäuscht”.