Ioan Chiș (geb. 1957)

Der erste Rumäne, der am 20. Dezember 1989 auf dem Balkon des Opernhauses in Timișoara (Temeswar) stand und von dort aus als erster zu den versammelten Demonstranten sprach. Ioan Chiș arbeitete im Betrieb “Electrotimiș” als Mechanikermeister. Er hatte seine Kollegen, die in den Generalstreik eingetreten waren, zur Oper geführt und betrat das Gebäude durch einen Seiteneingang, wobei er einen Kordon von Soldaten umging, die den Haupteingang bewachten. Ein Funktionär wies ihm den Weg zum Balkon, da er befürchtete, der Mob würde in das Gebäude eindringen und es verwüsten. Auf dem Balkon angekommen, bat Ioan Chiș darum, den Lautsprecher einzuschalten, der für die Reden der kommunistischen Funktionäre installiert worden war. In einem Kontext, in dem die Passivität der rumänischen Gesellschaft gegenüber der kommunistischen Diktatur am besten im Slogan Maisbrei explodiert nicht zum Ausdruck kamnannte Ioan Chiș damals seinen Namen und seinen Beruf, und rief dann aus: “Brüder, der Maisbrei ist endlich explodiert!” Die Menge jubelte ihm zu. Anschließend, so erzählt er, habe er den Intellektuellen, die ihm gefolgt waren, wie Lorin Fortuna und Claudiu Iordache, den Vortritt gelassen.

Ioan Chiș wurde Mitglied des Ständigen Büros und dann Vizepräsident der Rumänischen Demokratischen Front (FDR), der politischen Organisation, die ad hoc gegründet worden war, um “einen Dialog mit der rumänischen Regierung im Hinblick auf die Demokratisierung des Landes aufzunehmen”. Die erste Proklamation der FDR, verlesen am 20. Dezember 1989 von ihrem Vorsitzenden Lorin Fortuna, machte “den Beginn dieses Dialogs vom Rücktritt des Tyrannen Nicolae Ceaușescu” abhängig und definierte 10 Forderungen: “Organisation von freien Wahlen; Redefreiheit, Presse-, Rundfunk- und Fernsehfreiheit; die sofortige Öffnung der Staatsgrenzen; die Integration Rumäniens in die Reihe der Staaten, die die Grundrechte garantieren und respektieren; die sofortige Freilassung aller politischen Gefangenen und Dissidenten in Rumänien; Wiederbelebung der Volkswirtschaft; Bildungsreform im Geiste der Demokratie; Demonstrationsfreiheit; Freiheit für die religiösen Kulte; Verbesserung der Gesundheits- und Lebensmittelversorgung” Das Dokument, das noch in der Nacht gedruckt und auf Flugblättern verteilt wurde, endete mit den Satz: “Das rumänische Volk hat
gesiegt!”. Ioan Chiș ist einer der Unterzeichner der FDR-Proklamation. Timișoara wurde von den Revolutionären zur ersten vom Kommunismus befreiten Stadt Rumäniens erklärt, doch die Proklamation schlug einen Dialog vor, nicht die endgültige Beseitigung der kommunistischen Regierung. In der FDR, die auf einer starken Welle von Emotionen gegründet wurde, kam es schnell zu Meinungsverschiedenheiten. Die Kontroversen vervielfachten sich, nachdem das Diktatorenpaar Ceaușescu geflohen war. Nachdem Mitglieder und Führer der FDR ihre Unterstützung für die Front der Nationalen Rettung (FSN) ausgesprochen hatten, wurde am 12. Januar 1990 nach einer Straßendemonstration Lorin Fortuna von der Führung des Kreises Timis abgesetzt. Es wurden Kommunalwahlen abgehalten, die ersten im Land nach der Revolution, bevor überhaupt ein demokratisches Wahlgesetz verabschiedet wurde. Ioan Chiș wurde nicht in die Liste der FSN-Kandidaten für die Kommunal- und Zentralwahlen aufgenommen. 

25 Jahre nach der Revolution wurde Ioan Chiș zum Ehrenbürger von Timișoara ernannt. Im Jahr 2019, 30 Jahre nach der Revolution, war er Inhaber eines metallverarbeitenden Ateliers.  

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