Ana Blandiana (geb. 1942)

Dichterin, Schriftstellerin, Publizistin, antikommunistische Dissidentin und Bürgerrechtlerin. Otilia-Valeria Coman wurde in Timișoara geboren, ihr literarisches Pseudonym ist an den Namen des Dorfes ihrer Mutter angelehnt. Sie ist die Tochter eines orthodoxen Priesters, der als “Volksfeind” vom kommunistischen Regime verhaftet wurde und kurz nach seiner Entlassung aus der politischen Haft bei einem Autounfall ums Leben kam.

Ana Blandiana debütierte 1954 als Dichterin in Jugendzeitschriften, als ihr Vater inhaftiert war. Sie benutzte ein Pseudonym, um den Schikanen des Regimes zu entgehen. Ihre Identität wurde entdeckt, sie musste vier Jahre lang auf die Erlaubnis warten, zu veröffentlichen und sich an der Universität einzuschreiben. Sie arbeitete auf einer Baustelle. Im Jahr 1960 heiratete sie den Schriftsteller Romulus Rusan. Zwischen 1960 und 1963 erhielt sie ihr erstes Publikationsverbot. 1964 durfte sie wieder veröffentlichen und etablierte sich als eine der führenden Dichterinnen dieser Zeit. Erst zwischen 1968 und 1974, nachdem sie 1967 ihr Studium an der Philologischen Fakultät der Universität Cluj/Klausenburg abgeschlossen hatte, gelang es ihr, mit mehreren Zeitschriften und Magazinen des Landes zusammenzuarbeiten. 1969 wurde sie mit dem Preis des Rumänischen Schriftstellerverbands für Poesie und 1970 mit dem Preis für Poesie der Rumänischen Akademie ausgezeichnet. Zwischen 1975 und 1977 war Ana Blandiana Bibliothekarin am Institut für Bildende Künste “N. Grigorescu” in Bukarest, danach war sie von 1977 bis 1979 Redakteurin beim Schriftstellerverband. 1982 erhielt sie den Preis für Prosa der Bukarester Schriftstellervereinigung und den Internationalen Preis “Gottfried von Herder” in Wien. 1985 wurde sie zum zweiten Mal mit einem Publikationsverbot belegt, nach einer Serie von vier Gedichten in der Studentenzeitschrift “Amfiteatru”, herausgegeben von der Union der kommunistischen Studentenverbände in Rumänien. “Eu cred/Ich glaube”, “Totul/Alles”, “DelimităriAbgrenzungen” und “Cruciada Copiilor/Kreuzzug der Kinder” wurden als subversiv angesehen und verboten. Vor allem das letztgenannte Gedicht wurde als Kritik am System interpretiert, das Abtreibungen verbot. Dennoch wurden diese Gedichte im ganzen Land durch Handkopien in Zehntausenden von Exemplaren verbreitet und waren der einzige Fall von rumänischer Untergrundliteratur, die übersetzt und weltweit verbreitet wurde. 1988 erfolgte ein neues Verbot, als sie in einem Gedichtband für Kinder den Diktator mit der Figur des Katers “Arpagic” parodierte. Die Öffentlichkeit identifizierte Ceaușescu schnell, das Buch war innerhalb weniger Stunden vergriffen, und innerhalb weniger Tage wurde der umgangssprachliche Spitzname für den Staatschef der Name des Katers. Als Konsequenz wurde Ana Blandianas Name verboten und ihre Bücher aus den Bibliotheken entfernt. Sie erhielt ein erneutes Publikationsverbot. Sie versuchte und schaffte es, sich mit einem Brief, der in einer Kultur-Rubrik kommentiert wurde, an Radio Free Europe zu wenden. Sechs Monate nach dem Verbot schrieb sie einen Protestbrief an den Diktator, auf den erst eine Reaktion erfolgte, nachdem der Brief im Radioprogramm der BBC verlesen und kommentiert worden war. Sie wurde zu einem Vortrag ins Vereinigte Königreich eingeladen, erhielt aber weder den rumänischen Pass und noch das Reisevisum rechtzeitig und wurde bei der Veranstaltung durch ein Tonbandgerät ersetzt, das auf einen leeren Stuhl gestellt wurde und ihre Stimme abspielte, die die eigenen Gedichte vorlas. 

Im Dezember 1989, nach dem Sturz Ceaușescus, erschien ihr Name auf der Liste der Gründungsmitglieder des Provisorischen Rats der Front der Nationalen Rettung (CFSN), ohne dass sie vorher gefragt wurde.

Am 27. Dezember 1989 wurde ihr das Amt der Vizepräsidentin des CFSN angeboten, das sie jedoch ablehnte. Am 29. Januar 1990 trat sie aus Protest gegen die Umwandlung der Front der Nationalen Rettung (FSN) in eine politische Partei und nach der organsierten Gewalt gegen die Opposition aus dem CFSN aus.

Ab April 1990 nahm sie an den auf dem Universitätsplatz organisierten Kundgebungen der demokratischen Opposition teil, gehörte zu den Initiatoren der Alianța Civică/Bürgerallianz und war von 1991 bis 2001 Vorsitzende der Organisation. Im Januar 1993 gründete sie zusammen mit ihrem Mann Romulus Rusan die Gedenkstätte für die Opfer des Kommunismus und des Widerstands, ein Museum, das sich im ehemaligen politischen Gefängnis in Sighetu Marmației befindet. Seit April 1995 ist sie die Gründungspräsidentin der Stiftung Academia Civică/Bürgerakademie. Sie ist Ehrenpräsidentin des PEN-Clubs Rumänien, Mitglied der Europäischen Akademie für Poesie, Mitglied der Weltakademie für Poesie (UNESCO) und Ehrenbürgerin der Stadt Timișoara. Im Jahr 2009 wurde sie mit dem Orden “Nihil Sine Deo” des rumänischen Königshauses sowie dem Orden der Ehrenlegion im Rang eines Ritters ausgezeichnet. 1997 erhielt sie den Nationalen Lyrikpreis, 2001 den “Opera Omnia”-Preis, 2002 den Internationalen “Vilenica”-Preis und 2016 den Preis “Europäische Dichterin der Freiheit” für den Band “Patria mea A4/Meine A4 Heimat”. Der Band “Mai-mult-ca-trecutul. Jurnal, 31 august 1988 – 12 decembrie 1989”, erschienen 2023, wurde von der Zeitschrift România literară mit dem Preis “Buch des Jahres 2023” ex aequo und von der Zeitschrift Observator Cultural mit dem Preis für Memoiren/Biographie/Journal ausgezeichnet.

2024 gewann Ana Blandiana den Prinzessin-von-Asturien-Preis für Literatur. Die Jury hob ihre “unbeugsame Poesie” hervor, mit der sie eine “außergewöhnliche Fähigkeit zum Widerstand gegen die Zensur” bewiesen habe.

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