Alexandru Andrieș (geb. 1954)
Architekt, Musiker, Blues- und Jazzsänger, geboren in Stalin-Stadt, heute Brașov (Kronstadt). Sein Solodebüt gab er 1974 im Club A in Bukarest. 1979 folgte sein Bühnendebüt beim Brașov Jazz & Rock Festival. 1980, bei seinem ersten Auftritt auf dem renommiertesten nationalen Jazzfestival in Sibiu (Hermannstadt), begann er sein Konzert mit “General Pacepa’s Blues”. Zwei Jahre zuvor hatte Mihai Pacepa, Generalleutnant im Innenministerium, die “Nummer 2” in der rumänischen Spionagehierarchie und persönlicher Sicherheitsberater des Diktators Nicolae Ceaușescu, politisches Asyl in den USA beantragt. Das Konzert von Alexandru Andrieș wurde aufgezeichnet (Ton und Video), aber nie im Radio oder Fernsehen gesendet. Alexandru Andrieș trat weiterhin bei Jazzfestivals und Studentenfestivals in verschiedenen Städten auf. Er behielt sein Repertoire und spielte, wann immer er es für richtig hielt, eine Reihe von Liedern, die sich mit Humor und Subtilität gegen das kommunistische Establishment richteten. 1983 sang er bei den Costinești Jazz Galas “Mie mi-e somn” (“Ich bin müde”), mit einem Text, der sich fast direkt gegen den Diktator richtete: “Meine Lieder laufen nicht im Radio/ Und auch nicht im Fernsehen,/ Meine Freunde machen sich über mich lustig / Und ich habe es satt… / Wenn du das Gerät einschaltest
/ Egal zu welcher Zeit, ob Tag oder Nacht, / Es gibt einen, der immer singt, / Du kannst ihn nicht überhören / Und du schläfst ein…”.
Seine erste Platte veröffentlichte er 1984 bei Electrecord, dem einzigen Plattenlabel im kommunistischen Rumänien. Im ersten Monat des Jahres 1990, kurz nach der Wende, schlug er demselben Label vor, eine Platte mit seinen “subversiven” Liedern aus der kommunistischen Ära zu veröffentlichen. Der zuständige Direktor lehnte die Veröffentlichung zunächst ab, änderte dann aber seine Meinung, weil ihm eine Pressekonferenz zu diesem Thema “angedroht” wurde. So entstand das Album “Interzis” (“Verboten”) mit Live-Aufnahmen von Songs aus der kommunistischen Zeit und den Reaktionen des Publikums. Dafür wurde Alexandru Andrieș mit einer Goldenen Schalplatte ausgezeichnet. Es war das erste Album, das jemals in Rumänien eine solche Auszeichnung erhielt.
Im Jahr 1993 trat Alexandru Andrieș zum ersten Mal beim internationalen Musikfestival “Cerbul de Aur” (“Der Goldene Hirsch”) in Brașov auf. Es kam zum Eklat. In jener Zeit hatte das bis zur Wende staatliche und danach öffentlich-rechtliche Rumänische Fernsehen TVR immer noch eine Monopolstellung und wurde der politischen Unterordnung bezichtigt. Präsident Ion Iliescu war ein Jahr zuvor in einer aufgeheizten politischen Atmosphäre zu seiner ersten verfassungsmäßigen Amtszeit als Staatschef gewählt worden. Als Alexandru Andrieș seinen Song mit einer klaren Anti-Präsidenten-Botschaft – “Fără titlu” (“Ohne Titel”) – anstimmte, wurde die LIVE-Übertragung unterbrochen. Dank der mutigen Reaktion der Techniker aus der TVR-Gewerkschaft, von denen einige aus Brașov stammten, wurde das Konzert nach einer fast einminütigen Unterbrechung weiter ausgestrahlt.
“Ich habe keine rote Kaderkartei, / ich habe keine Wachposten vor meiner Tür, / ich telefoniere nicht mit Moskau, / ich habe keine Bergarbeiterfreunde. / Ich habe kein schwarzes Auto vor dem Haus, / ich habe keine Berichte auf (KP)Parteitagen vorgetragen, / ich trage keine Rose im Knopfloch / und ich wurde nie wiedergewählt. / Ich habe keine Kumpane im Knast, / ich habe keine erschossenen Freunde, / ich habe keine Bilder zu Hause / von Leuten, die in Büchern erschienen sind, / kein sorgfältig geschliffenes Gehirn / in anderen Sprachen, auf anderen Landkarten. / Ich habe als Kind Stalin-Stadt erlebt / und Kälte und Regen und Lügen, / ich kann nicht so fröhlich lachen wie du, / ich kann nicht an Wunder glauben. / Ich habe weder Plattform noch Hauptquartier, / aber ich habe Recht und das weißt du! /
Und ich habe einen Traum, Nacht für Nacht: / Ich schalte den Fernseher ein, / ich sehe dich in Schwarz-Weiß gestreift / und die Wachen… sie sehe ich in Farbe!”.
Im Jahr 2004 verlieh ihm Präsident Ion Iliescu den Orden für Kulturelle Verdienste im Rang eines Ritters “für herausragende Beiträge zur künstlerischen und kulturellen Tätigkeit in unserem Land, für die Förderung der rumänischen Zivilisation und Geschichte”. Alexandru Andrieș lehnte die Ehrung umgehend ab und erklärte: “Es ist mir unmöglich zu akzeptieren, dass die gleiche Unterschrift, die sich auf der Begnadigung von Miron Cozma breitmacht, auf der Ehrung steht, die Sie mir zuteil werden lassen wollen”. (Miron Cozmam war der Rädelsführer der rumänischen Bergarbeiter, die an der brutalen Niederschlagung einer Demonstration der demokratischen Opposition in Bukarest im Juni 1990 beteiligt waren).
Alexandru Andrieș war Dozent am Institut für Architektur “Ion Mincu” und ist seit 1980 Mitglied der Union der Rumänischen Architekten. Er ist Mitglied des Rumänischen Schriftstellerverbands seit 1994, Maler und Grafiker, Mitglied im Journalistenverband von Rumänien und dem Verband der Komponisten und Musikwissenschaftler Rumäniens seit 1994.